Die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung
Von Dr. Petra Arndt – Geschäftsführende Gesamtleitung, ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen
Lernen oder Spielen? Wenn Kinder spielen, lernen sie. Genaugenommen ist das Spiel die natürliche Form des Lernens bei Kindern. Es ist angeboren und ist neben der Neugierde der Motor für die Entwicklung. Zugleich ist Spiel immer zweckfrei, wird aus Vergnügen und Spaß an der Sache ausgeübt. So dient es der Entspannung und ist ein guter psychischer Ausgleich. Spielende Kinder erleben sich als selbstbestimmt, haben Erfolge und erleben Gemeinschaft mit anderen.
Oft ist die Funktion von Spielen deutlich erkennbar: Fertigkeiten, die im Erwachsenenalter benötigt werden, werden trainiert: Junge Katzen üben das Lauern und Zuschlagen, kleine Füchse den typischen Sprung bei der Mäusejagd. Das Spiel stärkt Muskeln und Gelenke ebenso wie Geschwindigkeit und Geschicklichkeit. Bestimmte Spielformen von Menschenkindern, etwa rennen, schaukeln, balancieren, haben eine ähnliche Funktion. Aber das Menschenleben ist weit reichhaltiger und unsere Fähigkeiten sind komplexer als die der Tiere. Im Rollenspiel werden besonders im Kindergartenalter die Tätigkeiten Erwachsener nachgeahmt, soziales Verhalten geübt, Erfahrungen wiederholt und verarbeitet.
Erwerb von Fähigkeiten und Wissen durch Spiel
Ohne Anstrengung wird im Spiel auch Wissen über die Welt erworben. Wenn ein Kind Bauklötzchen zu immer höheren Türmen aufstapelt, lernt es etwas über Statik und physikalische Gesetzmäßigkeiten. Buddelt es im Sand, lernt es etwas über Mengen und Massen, völlig ohne Physik- oder Matheunterricht.
Je älter die Kinder werden, umso stärker bevorzugen sie Regelspiele wie Brett- oder Kartenspiele. Wichtig ist das Spiel in der Gruppe nach fest vereinbarten Regeln, die Möglichkeit des Wettbewerbs und die immer wieder neuen Herausforderungen, die die verschiedenen Spiele bieten. Wenn Kinder Würfelspiele spielen, lernen sie den ersten Umgang mit Zahlen „Wenn ich eine Sechs und dann noch eine Drei würfele, dann habe ich gewonnen.“ Spielen sie Spiele, bei denen sie gut aufpassen und schnell reagieren müssen, stärken sie ihre Konzentrationsfähigkeit. Je nach Spielaufbau und Spielziel werden auch Geschicklichkeit, logisches Denken, Wissen anwenden usw. trainiert.
Bedeutung von Regelspielen und sozialen Kompetenzen
Weil Regelspiele aber nur zusammen mit anderen so richtig funktionieren, entwickeln Kinder beim Spiel viele wichtige soziale Kompetenzen. Sie üben Regeln einzuhalten und auf Gerechtigkeit zu achten. Sie müssen ihre Emotionen beim Verlieren im Griff behalten, aber auch beim Gewinnen, wenn sie andere nicht unnötig traurig machen wollen. Und sie lernen mit Konflikten umzugehen. „Du hast mich rausgeworfen! – Jetzt bist Du nicht mehr mein Freund!“ „Aber es ist doch nur ein Spiel!“.
Fazit: Spiele als wichtiger Bestandteil der kindlichen Entwicklung
Kinder erwerben also im Spiel eine Vielzahl verschiedener Kompetenzen. Und doch steht für sie immer der Spaß im Vordergrund. Spielende Kinder erleben sich als selbstbestimmt, haben Erfolge und erleben Gemeinschaft mit anderen. Genau dieser positive Zustand ist es, der die Lernprozesse fördert, den Wissenserwerb unterstützt. Deshalb sollte Zeit und Gelegenheit für Spiele weder im Kindergarten- noch im Grundschulalter fehlen.
Eltern spielen mit Kindern
„Eltern können im gemeinsamen Spiel Stärken und Talente ihres Kindes erkennen. Sie erleben seine Persönlichkeit in unterschiedlichen Situationen und können es noch besser in seiner Entwicklung begleiten. Durch die bewusst gemeinsam verbrachte Zeit wird die Bindung zwischen Eltern und Kind gestärkt.“
Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie in Ulm und Gründer sowie Leiter des ZNL TransferZentrums für Neurowissenschaften und Lernen.